Leserbrief: Venter
BackFAZ: "A la Venter" von (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.04.2010, Nr. 80, S. N1)
In Ihrer jom-gezeichneten Glosse aus Natur und Wissenschaft "A la Venter" klassieren Sie Venter als "der seinerzeit schon berüchtigte amerikanische Genomunternehmer". Das liest sich insgesamt doch geringschätzend, wenn nicht sogar verächtlich. Das muss (darf) aber nicht so sein.
Ich schätze Unternehmer sehr: sie schaffen und halten ökonomiegebunden Arbeitsplätze. Dafür sollte man sie mehr loben. Schliesslich sind Kapital und Arbeit bedeutende Produktionsfaktoren, und wenn die beiden sich gegenseitig am Stuhlbein sägen, kann man nichts Optimales erwarten. Staatskapitalismus à la Sowjetunion oder DDR war sicher nicht das Optimale. Dafür fehlt der ganzen Linken schlicht der kritische Blick.
Und warum berüchtigt? Venter? Er kannte das NIH mehrere Jahre von innen und konnte Flexibilität und Effizienz der öffentlichen Hand dort sehr gut beurteilen.
Er mobilisierte Geld für Grundlagenforschung bei der Industrie, und er lag mit seinem Forschungskurs erfahrungsbasiert völlig richtig. Der Konkurrentenklub hatte öffentliches Geld für Grundlagenforschung von mehreren Milliarden Dollar und über 10 Jahre Programmsicherheit in den Perspektiven. Und da kommt einer und sagt: "Ich mache Euch det Janze für $700 Mio in 9 Monaten" oder so. Da verstiegen sich Nobelpreisträger und andere auf Maffiamethoden, um ihre Perspektiven zu sichern. Venter war nobler und sicherer.
Bei Collins vermisse ich in Ihrer nicht sehr kritischen Darstellung das Präsenzpartizip "frömmelnd", denn der glaubt der Theologie mehr als der Wissenschaft.
Theologiefolgenabschätzung (nicht nur wegen sexueller Abwegigkeit, vor allem auch wegen der weltweit schwelenden Ideologiebrandherde) sollte im Vergleich zu Technologiefolgenabschätzung eine deutlich höhere Priorität eingeräumt werden.
Bei mir hängt schon seit 10 Jahren ein Bild von Venter an der Wand: ein Top-Leader, clever, produktiv, forschungsethisch ein sehr solides Modell.
Brussel, 09.04.2010