Walter Schäfer

"Corporibus caecis igitur natura gerit res"

Lukrez, De Rerum Natura 1/329

Leserbrief: Den Griechen eine Torheit

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Alexander Grau: "Den Griechen eine Torheit" von (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.2008, Nr. 295, S. N3)

Hier wächst die FAZ mit einem Weihnachtsgeschenk besonderer kultureller Qualität über sich selbst hinaus und ruft jeden besorgten Christen dazu auf, sich von Ratzingers hochmittelalterlichen Gebetsmühlen nicht plattwalzen zu lassen, sich nicht wieder dazu abrichten zu lassen, den Theologen blindlings zuzuhören.

Ratzingers Versuch, katholische Theologie gegen moderne Kritik oder überhaupt jede Kritik zu immunisieren ist ein Anliegen, das er nicht erfunden hat, es hat Geschichte. Kants Sorge, dass Theologie Kritik akzeptiert (Fussnote in der Kritik der reinen Vernunft) ist auch heute noch berechtigt. Bei Nichtbeachtung setzt sich Theologie der Sklerose aus. Ratzinger sind unkritische Schäfchen lieber, das ist bequemer.

Worauf gründet sich denn die Synthese von Evangelium und griechischer Philosophie? Auf einen Platon, der seinem Sokrates (Phaidros) in den Mund legt: „Ich bin wissbegierig, aber nur der Mensch kann mich etwas lehren. Die Bäume und die Felder lehren mich nichts“. Damit entlässt aber Platon eine riesige Untermenge an Fakten des Universums horizontverkürzend aus philosophischer Betrachtung. Für mich ein Rückschritt hinter die Vorsokratiker. Diese Krankheit ist auch heute noch akut, denn welcher Theologe des Erdballs kann bei Schöpfung (Fakten des Universums) heute noch kompetent mitreden?

Man lege sich mit Google und Wikipedia zum Thema Laïzismus eine Liste von Göttern an, die von Theologen erfunden und von den Völkern wieder vergessen wurden: man hat ein Massengrab auf der Festplatte.

Als Atheist habe ich die Wahl: Halt! Da ist doch einer im Massengrab, der besser ist als alle die anderen. Die Sonnenscheibe, Aton, des Amenophis IV, Eschnaton. Das ist ein Gott, den man ohne theologischen Aufwand und Vermittlung sehen kann; man sieht ihn auch besser, wenn man aus den Gotteshäusern heraustritt; ein Gott, von dem man Terabytes an Information wissen kann. Nur muss man Astrophysikern zuhören und nicht Theologen.

Diese Wahrheit ist wahrscheinlich, aber recht zuverlässig, zuverlässiger als absolute Wahrheiten. Man kann wissen und braucht nicht zu glauben. “Θραχεια Δεν Ειναι Γνωσεις”. Glauben ist, wenn man nichts Genaues weiss.

Das vatikanische Verständnis von Schöpfung (Fakten des Universums), steht doch völlig ohne Putz da.

Kopernikus sieht 1543 mit nachtwandlerischer Sicherheit den Fall Galilei voraus: „Es wird Mattaiologen (Dummbabbler) geben, die von Astronomie und Mathematik nichts verstehen und die mein Werk verdammen werden“. Nachzulesen in der Widmung seines Werkes an Paul III. Am 6. März 1616 war es soweit: Kopernikus auf dem Index und die Dummbabbler des Kopernikus auf den höchsten Stühlen im Vatikan.

Übrigens soll Paul III Papst geworden sein, weil seine Schwester mit seinem Vorgänger schlief. Michel de Montaigne kam mit seinen Essais auf den Index, weil er erzählte, dass Johannes XXII zwischen den Schenkeln einer Frau starb. Dessen Lebensdaten nach erwischte ihn der Tod im Alter von 89 Jahren.

Beim Sonnensystem brauchte die Inquisition fast 200 Jahre bis sie einschlägige Schöpfung begriff und Galileis Dialogo nicht mehr auf den Index stellte. Das ist unter Hilfsschulniveau.

Christus war Mensch und hatte als solcher ein diploides Genom, hälftig von Papa Josef und Mama Maria, zusammengebastelt nach einem Verfahren, das seit Äonen rigoros schöpfungskonform läuft. Da war ausser Biologie nichts im Spiel, und wenn Ratzinger dies bestreitet, dann muss er es sich gefallen lassen, dass man ihn zu den dünnbrettbohrenden, geisterfahrenden Ideologietrappern rechnet, die die Verantwortung nicht übernehmen für die Folgen der Erfindungen ihrer instrumentellen Vernunft, ein Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können.

Römische Theologie vergewaltigt ihre Theologen biochemisch, zwingt sie in die Rolle von Eunuchen, schränkt sie so ein auf sexuelle Abwege, Masturbation, Nassträume, Fummeln unter den Deckbetten Jugendlicher beiderlei Geschlechts (Milliardensummen an Entschädigungen in USA) und will mit einem solchen menschlich und biologisch schwachsinnigen Profil einer Milliarde von Katholiken noch vorschreiben, wie sie Sexus zu treiben haben. Wo ist da Kultur?

Mein mir selbst gesetzter Gott macht mir die Winde, die mir die Segel füllen und die Winde machen mir in der Ägäis die Wellen, die mich mit meiner „Magisches Hellas“ wiegen, ein schönerer Gottesdienst, als wenn ich mir in Gotteshäusern das anthropozentrische (Xenophanes) Gottesgeseire von Theologen anhöre, die in der Regel von der Schöpfung (Fakten des Universums) so gut wie nichts verstehen. Et stultorum infinitus est numerus. Die Wissenschaft hat hier die zuverlässigere menschliche Deutungskultur für sich.

Es ist die Lust des Epikur, ziemlich zuverlässig zu wissen, woran man ist. Dieser Lust hat ein Römer die poëtischste Form gegeben: Lucretius. Er verdiente mehr Zuwendung. Das bessere Rom.


Matrei, 17.12.2008