Als ein früher "alman turist" in der Türkei
BackZu Ihrer lobenswerten Berichterstattung über das Verhältnis von Türken und Deutschen darf ich, vielleicht aus einer ganz anderen Sicht, eine nützliche Ergänzung anführen:
Auf einer Reise mit dem Thema Archäologie in der Türkei, im Nahen und Mittleren Osten fuhr ich 1967 mit dem Wagen kreuz und quer durch die Türkei, fünf Wochen lang durch Gegenden, wo der organisierte Tourismus nie einen Fuss hinsetzt.
Die Deutschfreundlichkeit, mit der uns die Türken ausnahmslos und überall begegneten, gehört für mich zu den schönsten Erlebnissen menschlicher Dimension im Ausland. Das Zauberwort "alman tu rist" wirkte Wunder: Man begrüsste, uns mit Akkolade und Kuss auf die Wangen, "Almania çok güzel", Deutschland ist sehr schön. Man hakelte die Zeigefinger der beiden Hände ineinander und sagte: "Almania Türkiye tamam", Deutschland und die Türkei verstehen sich prima.
Als ich in Adana sehr früh am Tag nach einem Geschäft suchte, um Filme zu kaufen, lief ein junger Türke mit mir weit durch die Stadt zu einem Photogeschäft. Als ich ihm ein Bakschisch geben wollte, lehnte er ab und sagte: "Ich freue mich, einem Deutschen helfen zu konnen. Wenn ich Gelegenheit habe, Deutsch zu sprechen, dann ist das reichliche Belohnung für mich."
Draussen in der Welt sind die Türken die besten und treuesten Freunde der Deutschen. So denke ich. Es ist kulturell traurig, wenn eine Minderheit, ideologisch verbohrt und menschlich armselig, kein Gespür für elementare zwischenmenschliche Bezüge hat, wenn die Fixierung auf absolute und absurde Ideen Kultur plattwalzt. Was Menschen lachen und weinen macht, bringt sie, wenn sie den Namen Menschen verdienen, viel näher zusammen, als sie die paar Quadratmeter Tuch, die man Fahne nennt, trennen. Auch das Kreuz, der Halbmond, der Talmud und Shiva trennen, überall da, wo man sich für besonders auserwählt hält. Das Kreuz alleine sogar, über verschiedene "Gebrauchsmuster", trennt auf mörderische Weise Kroaten von Serben, Nord und Süd-Iren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.1993, Nr. 236, S. 12