Und wenn sie krank sind
BackZu "Gott spricht zu Darwin" (F.A.Z. vom 25. August)
Coyne macht ohne Zweifel den weitesten Schritt im Vatikan auf die Naturwissenschaften zu aber geht er weit genug? Er schreibt: "Im Universum sind im wesentlichen drei Kräfte am Werk: Zufall, Notwendigkeit und Fruchtbarkeit." Nach den Kräften, die auf das Universum wirken, haben am kritischsten, ehrlichsten und gründlichsten die Physiker gesucht; sicherlich nicht die Geistes und Grenzwissenschaftler und vor allem nicht die Theologen dieses Erdballs.
Die Grundwirkkräfte sind Gravitation, Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkung. Notwendigkeit, Zufall, Fruchtbarkeit sind keine Kräfte. Leben ist vom Stofflichen her bedingt durch das Potential des Bindungsverhaltens von Kohlenstoff, eine ungeheure Vielfalt von Molekülen zu bilden. Kein anderes chemisches Element erreicht auch nur angenähert diese für Leben notwendige Vielfalt. Aber der Kohlenstoff alleine macht es auch nicht: es braucht Magnesium für das Chlorophyll und Eisen für das Hämoglobin, um höheren biologischen Formen Leben zu verschaffen. Kohlenstoff wird schon in unserer Sonne "erbraten". Höhere Elemente werden in Supernova-Explosionen gebildet, wenn Riesensterne zu Neutronensternen oder Schwarzen Löchern zusammenbrechen.
Wir sind Asche aus Sternen. Schon Xenophanes hat vor 2500 Jahren die anthropomorphen Gottesbilder der Gottesmacher lächerlich gemacht. Gott lächelt, Gott lobt, Gott straft, Gott liebt, Gott spricht zu Darwin. Ich weiß nur von einem Gott, der diese Züge nicht trägt: der monotheistische Aton (die Sonnenscheibe) des Echnaton vor fast 3500 Jahren. Ohne Sonne keine Erde und kein Leben dort ohne Wärme und Licht. Die Priestermafia im alten Ägypten ging nicht mit, und Echnaton brachte sein Reich an den Rand des Ruins.
Warum können sich heutige Theologen des Erdballs nicht einigen auf einen Gott? Weil sie nicht wissen, wovon sie reden. Gott (ganz gleich, welcher) ist eine Farce, zur Blüte gebracht durch die Ignoranz der Theologen angesichts der Fakten des Universums.
Und wenn sie krank sind, diese Theologen, verläßt sich keiner mehr auf das Beten, sondern alle gehen zum Arzt, um sich von modernster Wissenschaft bedienen zu lassen - Darwin inklusive.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.09.2005, Nr. 215, S. 8